Beileidsbekundung
Sprachlosigkeit in der Trauer
TRAUER
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, stehen nicht nur die Trauernden selbst vor einer großen Herausforderung. Auch das Umfeld – Freund:innen, Kolleg:innen, Nachbar:innen – weiß oft nicht, wie es reagieren soll. Viele wollen unterstützen, fürchten aber, etwas Falsches zu sagen. Andere schweigen lieber, in der Hoffnung, nicht noch mehr Schmerz auszulösen.
In meiner Praxis für psychologische Beratung wird gerade dieses Schweigen wird von Trauernden oft als besonders schmerzhaft empfunden. Ein ehrliches, unperfektes Wort kann viel mehr Trost schenken, als man denkt.
Worte, die fehlen
Als ich selbst einen Verlust erlebt habe, habe ich gespürt, wie unsicher viele Menschen in meinem Umfeld und auch ich waren. Manche wussten nicht, ob sie etwas ansprechen sollen, und entschieden sich für Stille. Andere wechselten vorsichtig das Thema, weil sie Angst hatten, mich mit meinen Gefühlen zu überfordern.
Ich kann und konnte diese Zurückhaltung gut verstehen – schließlich gibt es keine Worte, die einen Verlust leichter machen. Gleichzeitig habe ich gemerkt, wie viel mir schon ein kleines Zeichen der Nähe bedeutet: ein kurzer Satz wie „Ich denke an dich“, eine feste Umarmung oder einfach das ehrliche Eingeständnis: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich bin da.“
Es sind nicht perfekte Formulierungen, die helfen, sondern die Geste, dass jemand bleibt – auch wenn es schwerfällt.
Warum fällt es so schwer, Trauer anzusprechen?
Hinter der Sprachlosigkeit steckt selten Gleichgültigkeit. Viel öfter sind es Ängste und Unsicherheiten:
1. Angst, etwas Falsches zu sagen
Viele fürchten, mit unbedachten Worten zu verletzen. Das führt oft dazu, lieber gar nichts zu sagen.
2. Angst vor Tränen
Tränen machen uns unsicher, weil wir nicht gelernt haben, sie einfach auszuhalten. Wir möchten lieber „stark“ wirken – und meiden deshalb das Gespräch.
3. Angst vor Hilflosigkeit
Trauer erinnert uns daran, dass es Dinge gibt, die wir nicht reparieren können. Dieses Gefühl von Ohnmacht ist schwer auszuhalten.
4. Angst vor der eigenen Endlichkeit
Wenn wir mit Trauer in Berührung kommen, denken wir unweigerlich auch über unsere eigene Sterblichkeit nach – ein Gedanke, den viele lieber vermeiden.
5. Angst, die Wunde „aufzureißen“
Oft denken Menschen: „Vielleicht hat er/sie gerade nicht daran gedacht, und ich reiße alles wieder auf.“
Doch Trauernde denken ohnehin fast ständig an ihren Verlust. Worte reißen keine Wunden auf – sie zeigen, dass jemand mitfühlt.
Was wirklich hilft: ehrliche Nähe
Es geht nicht darum, Trost „zu liefern“. Es geht darum, da zu sein.
„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll – aber ich bin hier.“
„Es tut mir leid, dass du das erleben musst.“
„Magst du erzählen, wie es dir gerade geht?“
„Ich denke an dich.“
Manchmal braucht es gar keine Worte: eine stille Umarmung, eine Nachricht, ein Essen vor die Tür gestellt – all das zeigt: Du bist nicht allein.
Sprachlosigkeit in der Trauer entsteht selten aus Desinteresse, sondern meist aus Unsicherheit und Angst. Doch selbst ein unbeholfener, ehrlicher Satz kann mehr bedeuten als Stille. Trauernde brauchen keine perfekten Worte, sondern Menschen, die es aushalten, einfach da zu sein.
Denn nicht das richtige Wort zählt – sondern die Bereitschaft, überhaupt eins zu finden.
Sylvia Wichmann
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