Wer ist hier der Held....
Wie wir uns von Äußerlichkeiten in die Irre führen lassen


Wenn man an „Die Schöne und das Biest“ denkt, fallen einem sofort die beiden gegensätzlichen Charaktere des Biests und Gastons ein. Auf den ersten Blick scheint die Rollenverteilung klar: Das Biest, das von einem Fluch gezeichnet ist, wirkt einschüchternd und gefährlich, während Gaston der charmante Jäger ist, dem die Dorfbewohner zujubeln. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich Gaston als der wahre Antagonist – und als eine erschreckend reale Gefahr, die nicht nur Belle, sondern uns allen bekannt vorkommen dürfte.
Die Reise zur Menschlichkeit
Das Biest ist zunächst ein Symbol für Unbeherrschtheit und Egoismus. Sein Fluch ist eine äußere Manifestation seiner inneren Fehler. Doch was das Biest so faszinierend macht, ist seine Kraft zur Veränderung. Im Laufe der Geschichte entwickelt es Mitgefühl, Selbstlosigkeit und die Fähigkeit zur wahren Liebe. Es erkennt seine Fehler und arbeitet daran, sie zu überwinden – ein zutiefst menschlicher Prozess.
Das Biest ist also keine Gefahr, weil es sich bessern kann. Es zeigt, dass äußere Erscheinungen trügen können und wahre Stärke in der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Veränderung liegt.
Ein Aspekt des Missverständnisses: Stockholm-Syndrom oder echte Liebe?
Auf den ersten Blick könnte man bei der Geschichte von Belle und dem Biest vermuten, dass sie das sogenannte Stockholm-Syndrom zeigt – ein psychologisches Phänomen, bei dem eine Geisel eine emotionale Bindung zu ihrem Entführer aufbaut. Schließlich wird Belle vom Biest festgehalten und lebt isoliert in seinem Schloss, was diese Interpretation naheliegend macht.
Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass Belle nie völlig unterworfen ist. Sie bewahrt ihre Unabhängigkeit und Stärke, fordert das Biest heraus und widersetzt sich ihm. Ihre Beziehung entwickelt sich nicht aus Angst oder Abhängigkeit, sondern aus einer allmählichen Annäherung und dem gegenseitigen Verständnis. Dieser Wandel unterscheidet die Geschichte von einer klassischen Darstellung des Stockholm-Syndroms und verleiht ihr Tiefe.
Die schillernde Fassade des Bösen
Im Gegensatz dazu ist Gaston das genaue Gegenteil. Er sieht perfekt aus, handelt selbstbewusst und scheint der ideale Held zu sein. Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein Mann, der von Narzissmus* Machtgier und toxischer Männlichkeit geprägt ist. Gaston ist nicht nur eitel, sondern auch manipulativ. Er glaubt, dass er ein Anrecht auf Belle hat, und schreckt vor nichts zurück, um seinen Willen durchzusetzen.
Was Gaston so gefährlich macht, ist nicht nur seine Machtposition als charismatischer Anführer, sondern auch seine Unfähigkeit zur Veränderung. Während das Biest durch seine Fehler wächst, sieht Gaston keinerlei Notwendigkeit, sein Verhalten zu überdenken. In seinen Augen ist er perfekt.
*(hier ein ausführlicher Blog zu dem Thema von Marcel Wode, zu dem ich einen Teil beigesteuert haben)
Die wahre Gefahr ist die Macht der Masse
Ein entscheidender Aspekt, der Gaston so bedrohlich macht, ist seine Fähigkeit, andere zu beeinflussen. Er manipuliert die Dorfbewohner, indem er ihre Ängste vor dem Unbekannten schürt. Sein berühmtes Lied, in dem er das Biest als monströse Bedrohung darstellt, ist eine Lektion in Massenmanipulation. Mit seinen rhetorischen Fähigkeiten entfacht er einen Mob, der bereit ist, blindlings Gewalt anzuwenden.
Diese Dynamik macht Gaston zu einer gefährlichen Figur, weil sie erschreckend real ist. In ihm erkennen wir die Mechanismen von Populismus und gruppendynamischer Gewalt. Gaston zeigt, wie leicht eine charismatische Figur Menschen zu unüberlegten Taten verleiten kann.
Eine wichtige Lektion für das Leben und Beziehungen
Die Geschichte von Gaston und dem Biest hat eine tiefere Bedeutung, die über die Fabel hinausgeht. Sie erinnert uns daran, dass äußere Erscheinungen oft täuschen. Menschen wie Gaston, die charmant, freundlich und perfekt wirken, können in Wahrheit manipulative und schädliche Persönlichkeiten verbergen. Es fällt oft schwer, diese Wahrheit zu erkennen – besonders für Freunde und Bekannte, die sich von der Fassade blenden lassen. Sätze wie „Aber er/sie sieht doch so nett aus“ oder „Er/sie könnte nie jemandem etwas antun“ sind ein Spiegel unserer Tendenz, Oberflächlichkeit mit Charakter zu verwechseln.
Wenn du das Gefühl hast, dass in deiner Beziehung – sei es zu einem Partner, Freund oder Familienmitglied – etwas nicht stimmt, sei mutig. Höre auf dein Bauchgefühl und suche Hilfe, es gibt unterschiedliche Anlaufstellen, denn du bist nicht allein, und es gibt Menschen, die dich unterstützen können. Es braucht Mut, hinter die Fassade zu blicken, aber dieser Mut ist der erste Schritt, um ein gesünderes und sichereres Leben zu führen.
Weisser Ring e. V. Diese Organisation bietet Opfern von Kriminalität, einschließlich häuslicher Gewalt, Unterstützung und Beratung an
Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"
Männerhilfetelefon – Gewalt gegen Männer
Das Biest, Gaston und die versteckten Gefahren
„Die Schöne und das Biest“ zeigt uns, dass wahre Gefährlichkeit nicht in körperlicher Stärke oder äußerem Schrecken liegt, sondern in der Unfähigkeit, sich selbst in Frage zu stellen. Während das Biest lernt, ein besserer Mensch zu werden, bleibt Gaston ein Abbild dessen, wozu Menschen fähig sind, wenn sie Macht ohne Moral ausüben.
Auch die anfängliche Vermutung eines Stockholm-Syndroms erinnert uns daran, wie leicht man voreilige Schlüsse ziehen kann – genau wie die Dorfbewohner, die das Biest ohne Kenntnis seiner wahren Natur als Bedrohung ansehen. Am Ende liegt die wahre Gefahr nicht in den äußeren Monstern, sondern in der Macht, die Menschen wie Gaston über andere ausüben – und in der Blindheit, mit der wir uns von Oberflächen blenden lassen.
Denke immer daran: Nur weil etwas äußerlich schön oder perfekt erscheint, heißt das nicht, dass es im Inneren auch so ist. Vertraue dir selbst, achte auf Warnzeichen und zögere nicht, Hilfe zu holen, wenn du sie brauchst. Mut ist nicht nur ein Zeichen von Stärke – es ist ein Zeichen von Selbstachtung.
Sylvia Wichmann
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