Warum es so wichtig ist, mit Kindern über den Tod zu sprechen
TRAUER
Der Tod gehört zum Leben – und doch fällt es uns oft unglaublich schwer, darüber zu sprechen.
In meiner Praxis für psychologische Beratung und Trauerbegleitung erfahre ich häufig, dass die Angst etwas falsch zu machen, gerade bei dem Thema, groß ist. Besonders, wenn es um unsere Kinder geht, verspüren wir den Drang, sie vor dieser harten Realität zu schützen. Wir wollen sie bewahren vor Traurigkeit, Angst und Schmerz. Aber indem wir schweigen, erreichen wir oft das Gegenteil: Wir nehmen ihnen die Möglichkeit, mit ihren Gefühlen umzugehen und das Unvermeidliche zu begreifen.
Ich selbst stand irgendwann vor der Herausforderung, den Tod zu erklären, und ich erinnere mich an die Unsicherheit und den Wunsch, alles „richtig“ zu machen. Aber eines habe ich dabei gelernt: Schweigen hilft nicht. Im Gegenteil – Offenheit und klare Worte sind der Schlüssel, um Kindern Sicherheit und Orientierung zu geben, auch in Zeiten der Trauer.
Warum Worte wie „verstorben“ so wichtig sind
Oft neigen wir dazu, den Tod zu beschönigen oder ihn mit weicheren Begriffen zu umschreiben. Wir sagen, jemand sei „eingeschlafen“ oder „verloren“, in der Hoffnung, es leichter zu machen. Doch solche Begriffe können für Kinder – und auch für uns selbst – verwirrend sein.
Kinder verstehen diese Metaphern oft wörtlich. „Eingeschlafen“ könnte bedeuten, dass man im Schlaf nicht mehr aufwacht. „Verloren“ klingt, als könnte man jemanden vielleicht wiederfinden. Solche Formulierungen schaffen Unsicherheit und können sogar Ängste verstärken. Deshalb ist es so wichtig, klare und ehrliche Worte zu verwenden: „Opa ist gestorben“ oder „Oma ist tot.“
Diese Worte mögen hart klingen, aber sie sind ehrlich. Und Ehrlichkeit gibt Halt – vor allem in einer Zeit, die ohnehin von so vielen Emotionen und Unsicherheiten geprägt ist.
Warum Schweigen der falsche Weg ist
Trauer ist etwas, das wir alle auf unsere eigene Weise erleben. Doch egal, wie wir damit umgehen, eines bleibt gleich: Trauer will gefühlt werden. Sie lässt sich nicht verdrängen, nicht wegschieben und schon gar nicht wegschweigen.
Wenn wir den Tod als Thema meiden, bleibt er für Kinder ein großes, beängstigendes Geheimnis. Sie spüren den Schmerz der Erwachsenen, selbst wenn niemand darüber spricht. Sie merken, dass etwas nicht stimmt, aber sie haben keine Worte oder Werkzeuge, um damit umzugehen.
Offenheit hingegen erlaubt es, die Gefühle – Trauer, Angst, Wut – auszusprechen. Sie gibt Raum für Fragen, selbst wenn wir nicht auf alles eine Antwort haben. Und sie zeigt, dass es in Ordnung ist, traurig zu sein und sich mit diesen schweren Themen auseinanderzusetzen.
Der Tod als Teil des Lebens
Für viele von uns ist der Tod ein Thema, das wir lieber meiden. Wir leben in einer Gesellschaft, die oft versucht, ihn zu verdrängen. Doch der Tod gehört zum Leben, und ihn zu akzeptieren, hilft uns, das Leben selbst mehr zu schätzen.
Wenn wir Kindern die Möglichkeit geben, über den Tod zu sprechen, lernen sie, mit Verlusten umzugehen. Sie lernen, dass es okay ist, zu trauern, aber auch, dass das Leben weitergeht. Diese Erfahrungen machen sie stark – nicht nur als Kinder, sondern auch später als Erwachsene.
Trauer braucht Zeit und Raum
Es gibt keine richtige oder falsche Art zu trauern. Für manche ist es hilfreich, viel zu reden, während andere die Trauer eher still und für sich verarbeiten. Wichtig ist, dass wir uns die Zeit nehmen, die wir brauchen – und dass wir diese Zeit auch anderen zugestehen.
Trauer kommt in Wellen. Manchmal ist sie überwältigend, manchmal tritt sie leise in den Hintergrund. Aber sie bleibt ein Teil von uns, und das ist in Ordnung. Der Schmerz wird mit der Zeit nicht unbedingt kleiner, aber wir lernen, mit ihm zu leben.
Auch Kinder müssen diesen Prozess durchlaufen. Und es ist unsere Aufgabe, ihnen dabei zur Seite zu stehen – mit Geduld, Verständnis und vor allem Offenheit.
Offenheit schafft Vertrauen
Über den Tod zu sprechen, ist nicht leicht – weder für Kinder noch für Erwachsene. Aber es ist notwendig. Indem wir ehrlich sind, geben wir uns und unseren Kindern die Möglichkeit, das Unausweichliche zu verstehen und zu verarbeiten.
Schweigen hingegen schafft nur Unsicherheit. Es lässt Fragen offen, die früher oder später doch beantwortet werden müssen. Und es nimmt uns die Chance, das Leben in seiner Gesamtheit zu begreifen – mit all seinen Höhen, Tiefen und auch mit seinem Ende.
Trauer ist schmerzhaft, aber sie gehört zum Leben. Und je offener wir mit ihr umgehen, desto mehr können wir uns gegenseitig stützen und Kraft geben.
Ein Appell an alle Eltern
Wenn wir unseren Kindern etwas mitgeben wollen, dann die Fähigkeit, über Gefühle zu sprechen – auch über die schwierigen. Der Tod ist ein Thema, das uns alle betrifft, und es ist unsere Verantwortung, dieses Thema nicht zu verdrängen.
Offenheit bedeutet nicht, alle Antworten zu haben. Es bedeutet, ehrlich zu sein, zuzuhören und die Gefühle, die dabei entstehen, zuzulassen. Es bedeutet, gemeinsam durch die Trauer zu gehen, statt sie zu verstecken.
Der Tod mag das Ende eines Lebens sein, aber er ist auch ein Teil des Lebens. Und indem wir darüber sprechen, geben wir unseren Kindern die Werkzeuge, mit Verlusten umzugehen – nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft.
Sylvia Wichmann
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